Alle Welt hasst Bisexuelle.

Eine Frau mit kurzen Haaren und einem Regenbogen-T-Shirt sitzt mit dem Rücken gedreht zu einer Frau mit weißem Shirt und rosa Baseball Kappe, die sie anschaur.

In der neuen Podcast Folge spricht Irina davon, dass sie Schwierigkeiten mit ihrer Bisexualität hat. Der Begriff ist so negativ besetzt, dass sie sich lieber als queer bezeichnet. In der LGBTQ* Community fühlt sie sich genauso wenig angenommen wie in der restlichen Gesellschaft. Und ganz im Ernst? Ich kann das verstehen.

Als ich so 14, 15 war habe ich mich ganz selbstbewusst als bisexuell vor allen geoutet, die es nicht interessiert hat. Damals waren gefühlt alle bisexuell. Zumindest alle Mädchen. Erst als ich alt genug wurde, um auf Szeneparties zu gehen und zum Beispiel The L Word sehen konnte, erfuhr ich von der Ablehnung innerhalb der Szene gegenüber Bisexuellen. Mir war es damals sehr wichtig, von der Community anerkannt zu werden und fühlte mich automatisch unwohl mit dem Begriff. Tatsächlich habe ich mit Anfang 20 erfahren, dass ich pansexuell bin und habe mich damit sofort wohl gefühlt. Zum Teil habe ich mich mit dem Label Bisexualität also vermutlich auch deshalb unwohl gefühlt, weil es einfach nicht gepasst hat.

Irgendwann merkte ich, dass mein Interesse an Mädchen und Frauen viel höher war als an Jungs und Männern. Eine Zeit lang identifizierte ich mich als lesbisch und fühlte mich damit ganz großartig. Es war doch sehr befreiend, perfekt in eine Schublade zu passen, die die Gesellschaft bereits kannte. Als ich mich dann doch wieder in einen Jungen verliebte, brach eine Welt für mich zusammen. Der Begriff bisexuell und das Unwohlsein kehrten zurück. Nach der Trennung von dem Jungen datete ich wieder Frauen und las etwas über Pansexualität. Ich freute mich in doppelter Hinsicht: Einerseits, weil ich endlich die richtige Schublade für mich gefunden hatte (auch wenn die heute, über 5 Jahre später immer noch kaum einer kennt) und andererseits weil ich den Stempel Bisexualität los war.

Was ist so schlimm daran, bisexuell zu sein?

Du hast dich nur noch nicht festgelegt.

Es stimmt, viele denken, Bisexualität gäbe es gar nicht. Bisexualität ist quasi eine Zwischenphase, bevor sich entscheidet, ob du homo- oder heterosexuell bist. Bei Männern wird dann meist vermutet, sie seien eigentlich schwul, aber trauten sich noch nicht, sich ganz zu outen. Bei Frauen wird angenommen, sie wollten sich entweder wichtigmachen oder einfach nur herumexperimentieren und seien in Wahrheit hetero.

Ironischerweise kenne ich für beide Seiten Fallbeispiele: Ein Freund, der sich in der Schule als bisexuell outete und daran jahrelang festhielt, stellte nach ein paar Jahren, viel Erfahrung mit Männern und null Erfahrung mit Frauen schließlich fest, dass er wohl doch eher schwul ist. Und die meisten meiner Mädels aus der Jugend, die vor 10-12 Jahren noch alle bisexuell waren, sind inzwischen mit cis-Männern verheiratet oder in sehr langen Beziehungen mit ihnen. Gerade erst letztens musste ich aber wieder feststellen, dass sie dadurch nicht automatisch hetero werden. Man redet schlicht nicht über das Interesse an anderen Menschen, wenn man einen Partner oder eine Partnerin hat. Zumindest machen das viele so.

Ich glaube, dass viele Frauen wirklich ungern eine Beziehung mit einer bisexuellen Frau eingehen, weil Sie Angst haben, am Ende doch für einen Mann verlassen zu werden. Wenn ich ehrlich bin, geht es mir nicht anders. Meine zweite feste Freundin bezeichnete sich als bisexuell und betrog mich mehrfach mit ihrem Ex. Ob sie nun tatsächlich nicht bisexuell war oder sie einfach nur mich in Wahrheit nicht mochte, weiß ich aber nicht. Im Endeffekt habe ich sie dann aber auch unter anderem für einen Mann verlassen, also darf ich nicht mit Steinen werfen.

Heterosexuelle cis-Männer haben auch ihre Schwierigkeiten mit bisexuellen Partnerinnen. Ich kenne mich da aus. Ich war mit einigen zusammen. Vor dem Zusammenkommen waren sie noch cool mit meiner Sexualität und nach ein paar Monaten nicht mehr. Die Jukebox hatte alles auf Lager, von „Du bist mit mir zusammen, also bist du jetzt hetero.“ zu „Dann sind die Chancen ja doppelt so hoch, dass du mich betrügst oder verlässt.“ Beides ist natürlich feinster Bullshit. Ich bin weder ein Chamäleon, dessen Sexualität sich je nach Beziehungssituation ändert, noch stehe ich auf alle Männer und alle Frauen. Aber stimmt ja:

Bisexuelle sind promiskuitiv.

Falls du es noch nicht wusstest: Bisexuelle vögeln sich gerne durch die Welt. Also theoretisch. In den Köpfen der anderen. Praktisch habe ich das noch nicht so oft erlebt. Zumindest nicht öfter als bei allen anderen Menschen. Nur weil Bisexuelle in der Theorie an Personen von zwei unterschiedlichen Geschlechtern Interesse haben können, heißt das nicht, dass sie doppelt so oft wie andere Sex wollen. Ich kann ehrlich gesagt nicht mal nachvollziehen, wo dieser Irrglaube herkommt. Wobei – wenn ich einen Blick auf die Darstellung von bisexuellen Charakteren in Filmen und Serien werfe, erklärt sich dieses Klischee vielleicht doch.

Aber selbst wenn Bisexuelle mehr Sex hätten als andere: Who cares? Oder wie es Rizzo in Grease singt: There are worse things one could do.

Quelle: YouTube

Bisexuelle können sich nicht entscheiden.

Eine andere Ausprägung des Du-bist-einfach-noch-nicht-festgelegt-Klischees ist das Du-willst-dich-einfach-nicht-festlegen-Klischee. Dahinter steckt die permanente Angst des Partners oder der Partnerin, die bisexuelle Person werde sich irgendwann langweilen und „wieder zum anderen Geschlecht zurück wechseln“. Da fängt dann aber das Spiel erneut an und der/die neue Partner*in hat dieselben Befürchtungen.

Natürlich kann eine Person sich permanent für eine andere Person entscheiden und den Rest der eigenen Sexualität einfach nicht mehr ausleben. Es gibt aber noch eine Möglichkeit: Polygamie. Denn mal ganz im Ernst: Im Prinzip geht es doch irgendwie immer nur darum, dass man ein gewisses Besitzdenken hat, das durch Bisexualität schwer angekratzt wird. Ironischerweise scheint das aber weniger für Poly- und Pansexualität zu gelten.

Was ziehe ich daraus? Ich glaube, es verhält sich mit der Bisexualität exakt wie mit vielen anderen marginalisierten Aspekten des Menschseins: Das Problem sind weniger die Menschen, die betroffen sind und viel mehr alle anderen, die das, was sie nicht selbst sind und deshalb nicht verstehen, mit Ideen beladen und ihre eigenen Fantasien und Ängste darauf projizieren. That’s it.

Quelle: imgflip

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